Die Stille rollte wie ein Ozean heran,
Brach sich an meinem Ohr.
(Emily Dickinson)

 

Lapislazuli
.
Wieder klopfe ich an und er ist nicht da obwohl er hier ist weit entfernt flackert sein Gesicht auf kurz dann nichts aber ich weiß es weil ich es höre sein Schweigen das mir entgegenhallt sich in meinem Inneren ausbreitet wenn er später von seiner Befreiung spricht davon dass er ausbrechen will aus seinem Elend weil er nur so vor sich hin funktioniert schreit die Stimme in die Abgeschiedenheit
silenzio per favore aber ich kann den Begriff nicht begreifen seine Bedeutung kaum erfassen obwohl ich ihn spüre weil er anwesend ist in all der Abwesenheit sende ich ihm meine Gedanken die er aufnimmt wohl wissend dass er im Kern leuchtet immerzu frage ich mich woher er kommt wohin er geht und warum ich ihn kenne schon in meiner Kindheit sind wir zusammen zu fernen Planeten geflogen durch ein Loch in der Kuppel habe ich ihn gesehen ihn an seinem Schweigen erkannt und nannte ihn bei seinem Namen aber er wusste meinen nicht wenn wir zusammen gespielt haben
heute öffnet er die Tür und ich betrete scheu sein Haus es ist warm obwohl er keinen Ofen hat während Farben in meinem Kopf tanzen klappen Fenster auf klappen zu und ich atme frei weil ich den nicht vorhandenen Gipfel sehe und ich schaue ihn an wie er wächst der Raum sich dehnt und die Stille wird wieder zu Gesang der ausschließlich im Minus zu ertasten ist ich greife ihn fühle wie er mich schultert
das Vogelgezwitscher war schon einmal lauter sagt er und ich verstehe was er meint denn ich höre sie niemals zwitschern es ist Winter und ich laufe über die Wiesen golden ehe sich im Gegenraum ein Falltor auftut und mich verschluckt ich kann ihn nicht greifen weil ich nicht imstande bin wieder anzuklopfen
küsst Amerika Russland sagt er und will mich einladen zum Space Rendezvous dorthin wo es kein Schweigen gibt das sich in sich selbst verschluckt und ich höre es wieder will es in den Arm nehmen ehe ich verstumme in mir selbst um Bilder aus der Vergangenheit zu holen die mich trösten denn mindestens drei Mal werden wir uns begegnen später hüllenlos
werden wir uns erkennen und die Einsamkeit wird uns nicht einholen ganz ohne Sinne weil sinnlos erscheint mir weder mein Haus noch seines in dem der Kern steckt unsichtbar aus Gedanken geformt erzähle ich ihm später
wie sieht er denn aus mein Kern will er wissen weil er ahnt dass ich von seinem rede aber ich habe keine Ahnung nur die Gewissheit seiner Existenz obwohl er nicht anwesend ist was ich ihm berichte wofür ich wieder mit Stille belohnt werde die mich beruhigt die meine Scharniere zum Stillstand bringt löst er sich im Weiß auf ich bedanke mich und träume mich weiter hinein in eine Zukunft die ich nicht begreife die mich anbrüllt in ihrer Lautlosigkeit die wir beide nicht füllen können
weil wir keine fetten Wolfskinder sind sagt er und ich erwidere dass ich die Löwen gesehen habe wie sie nebeneinander existieren ohne Rang und Ordnung was mich berührt weshalb ich sie forme mit Worten die ihm nicht gefallen denn
die Mitte liegt zwischen M und N sagt er und ich verstehe ihn lächle ihn an weil er verkniffen guckt was mir gefällt
klar er kennt sich mit Löwen aus still wie er ist gegenwärtig in meinem Inneren verfügbar umfliegt er mich und wir entspannen zusammen neben einem speckig gesessenen Marmorblock träume ich später von einer Reise mit dem VW-Bus quer durch Europa und erzähle ihm davon pausenlos
rede ich von Dingen die er sich anhört ohne etwas zu erwidern weil er nicht anwesend ist sieht er wie ich schrumpfe um später wieder groß zu werden und weiter zu wachsen kennt die Unsicherheit in mir wenn ich falle geht er nicht unter stattdessen beruhigt er mich weil er mich lesen kann von hier oben aus gesehen unter den Wolken wirkt es beinahe still
doch in der Ruhe höre ich dann den Klang seines Schweigens wieder es wird lauter weil es sich entfernt er zerfließt unter meinen Augen aber dann erkenne ich ihn gestern sah ich Bäume heute blau leuchtendes Mineral ehe er die Berge sprechen hört weil sie immer die bessere Wahl sind er steht neben mir auf der Erde die Füße drücken sich im Fels ab ehe er mir ein Stück Knäckebrot reicht um meine Neugier zu stillen doch jedes Mal wenn ich es an mich nehmen will taucht es an einem anderen Ort wieder auf dort wo die Rolltreppe hochfährt und ich suche verzweifelt weiter weiter weiter merke ich dass ich ihn verloren habe aus den Augen aus den Sinnen sein Schweigen ist fort und ich schnappe nach Luft blicke zum Kreuz es ist weg
ebenso wie der Gipfel den ich zu erreichen versuche um ihn zu finden sein Haus ist wie weggewischt durch das Licht in der Ferne sehe ich seinen Kern der klar leuchtet geschliffen blau wie Glas von der Sonne vom Leben die Wolken haben wir bereits hinter uns er ist wieder da wie Musik zieht er an meinem Ärmel streckt mir die Finger entgegen ich betrachte seine feine Nase und eine Weile laufen wir auf hartem Grund
der federt weil ich aufgedreht bin innerlich hüpfe ich voran angetrieben von der Abwesenheit meiner Gedanken die mich ansonsten quälen Schritt für Schritt folge ich ihm ahnungslos und entdecke was ich niemals anfassen werde nur mein Herz wird es berühren jeden Tag den ich später fülle mit meinem Sein das sich auflöst und dehnt bis es die Welt einmal umrundet um die Verzweiflung wegzuwischen mitzunehmen auf den Gipfel zu tragen gemeinsam mit ihm
woher weißt du davon fragt er mich später vor sieben Wochen betrachteten wir zusammen den Mond aber ich kenne keine Antwort sehe stattdessen meinen mumifizierten Leib auf der Erde liegen worin sich mein Inneres befindet wie ein Staubkorn komprimiert von Pflichten und Erwartungen harrt es still aus umhüllt von Eisen er blickt mich an schweigend wie immer ist er doch woanders nur sein Kern ist im Geiste hier immerzu
klettert hinab wabert um den Staub bis Strahlen in die Atmosphäre dringen dort an der runden Spitze wird die Welt in Getöse verwandelt das niemand hört das niemand sieht nur wir beide packen es in unsere Rucksäcke gehen in Ruhe nach Hause um es in unsere Wohnzimmer fließen zu lassen bis jeder Winkel damit ausgefüllt ist mit einem erwachsenen Feuerzeug leuchtet er in die Zukunft die greifbar wird wenn er sich wieder und wieder entfernt und ich wieder und wieder anklopfe an sein Haus das dort steht zwei Meter minus acht
ich kann es erkennen beinahe erfassen greifen nach dem Knäckebrot bis es sich wieder vor mir auflöst zerbricht unter meinen Fingern die nichts weiter sind als Antennen die rauschend empfangen das Radio steht still ich stehe still und höre es brüllen in meinem Inneren höre ich den Gesang der sich in einem Schrei verliert der mir entgegendonnert dessen Richtung ich nicht ausmachen kann verdammte Scheiße
kommt er von mir oder von ihm ich winde mich in mir selbst rolle mich ein versuche zu schlafen finde aber keine Ruhe denn sie quälen mich und quälen mich immer weiter die Rufe vom Nirgendwo die ich weiß es einfach nur ich hören kann in diesem Augenblick der Stille die mich abtötet und mein Sehnen bis ins Grenzenlose wachsen lässt ich docke an lasse Bilder in mir entstehen die nichts weiter sind als vertrocknete Novemberblätter
was wird uns der Frühling bringen fragt er ich höre ihn wieder und Tränen lösen sich heftig aus der Abgeschiedenheit die in mir tobt sie lösen sich fallen zur Erde auf den unsichtbaren Kern und ich sehe seine Zukunft meine Zukunft ich sehe sie verschwommen auftauchen sie schreit mich an obwohl sie nicht existiert sie schreit und schreit und schreit.